Das Salzburger Literaturarchiv ist dieser Tage um
eine wertvolle Erwerbung reicher geworden. Der
Salzburger Wilhelm Meingast übergab dem Leiter des
Archivs, Rektor Adolf Haslinger, denkwürdige, auf Stefan
Zweig bezogene Bestände.
Meingasts Mutter, Anna Meingast, war von 1919 bis
März 1938 Stefan Zweigs Sekretärin. Ihren Nachlass hat
Wilhelm Meingast, der als heranwachsendes Kind
persönliche Erfahrungen mit Zweig machte, all die Jahre
bewahrt und nun dem Archiv als Schenkung übergeben. Er
tat dies, obwohl er attraktive Kaufangebote aus dem
Ausland hatte.
Die große Attraktion der Schenkung ist das legendäre
"Hauptbuch", ein speziell für Zweig angefertigtes Buch,
in dem er zu jedem seiner Werke genaue Angaben machte.
Da steht etwa, in wie viele Sprachen es übersetzt wurde,
wie die Verlage heißen und wie es mit der Abrechnung
steht. Zweig war ein Weltautor, die Werke wurden in so
gut wie alle europäischen, aber auch in außereuropäische
Sprachen, manche sogar in Esperanto übersetzt.
Ferner schenkte Meingast rund 110 Briefe Zweigs. Die
meisten davon sind von Zweig aus dem Ausland an seine
Sekretärin in Salzburg gerichtet. Es befinden sich aber
auch handgeschriebene Briefe an Richard Strauss und
Briefe von Romain Rolland darunter. Die Schenkung
umfasst auch Teile der Typoskripte zu vier Büchern
Zweigs mit jeweils vielen handschriftlichen Korrekturen.
Jeder geschriebenen Seite lag eine Leerseite gegenüber,
auf der Zweig seine Änderungen notierte. Das ergibt
einen aufschlussreichen Einblick in seine Arbeitsweise.
Schließlich gehören zur Schenkung auch Materialien
aus dem Büroalltag des Autors und Zeitungsrezensionen zu
fast allen Werken Zweigs.
Das Literaturarchiv, das im Schüttkasten der
Festspiele untergebracht ist, hatte schon bisher
wichtiges Material zu Zweig, vor allem die
Forschungsbibliothek des Zweig-Biographen Donald A.
Prater. Ab nun ist das Archiv eine unumgängliche
Anlaufstelle für die Zweig-Forschung.
Das internationale Interesse für Zweig findet in
Salzburg bis jetzt keine Forschungsstätte vor. Das
Ideal, seine ehemalige Villa auf dem Kapuzinerberg - sie
befindet sich in Privatbesitz - entsprechend zu widmen,
ist ein schönes Ziel. Die Stadt Salzburg hatte vor
Jahren einen Zweig-Preis gestiftet, der nur ein Mal
vergeben wurde. Jetzt nennt sie sich Zweig-Asylstadt mit
der Absicht, politisch verfolgten Schriftstellern auf
Zeit Aufenthalt zu gewähren. Doch auch in dieser Sache
scheint alles eingeschlafen zu sein.
WERNER THUSWALDNER